Gestern (07.01.2015) hatte ich Geburtstag, ich bin 63 Jahre alt geworden. Nichts Besonderes eigentlich – auch noch ein Arbeitstag.
Wie jeden Morgen begann ich nach dem Aufstehen mit einer kurzen Meditation, die mich auf den Tag optimal vorbereiten sollte und mit einer starken Tasse frisch gemahlenen und aufgebrühten Espresso-Kaffee. Ein paar liebe und liebgemeinte Glückwunschkarten trudelten ein, diverse Geschäftspartner, angefangen von der Hausbank über das Autohaus bis hin zur Kindernothilfe, schrieben automatisierte Glückwunsch-Emails, wovon bereits einige gnadenlos vom SPAM-Email-Abwehrprogramm im virtuellen Papierkorb landeten. Über die sozialen Netzwerke wie XING, Facebook, LinkedIn und Skype erhielt ich virtuell Körbeweise Glückwünsche (man wird ja automatisch an die Geburtstage seiner „Friends“ erinnert). Über all diese Aufmerksamkeit und das damit verbundene „sich an jemanden erinnern“ habe ich mich sehr gefreut. Durch meine doch sehr große Internetpräsenz und im Zeitalter des digitalen, öffentlichen Lebens erhielt ich so viele Glückwünsche, dass ich diese nie und nimmer einzeln persönlich beantworten kann und werde. Aber möglicherweise wird das ja auch nicht unbedingt erwartet. So kann ich überdeutlich mitfühlen mit Stars und sonstigen Personen der Öffentlichkeit, wie es ist, seiner Pflicht des Autogramm-Gebens immer und überall nachkommen zu müssen.
Meine Frau weckte mich um 05.00 Uhr in der Früh mit einem liebevollen Geburtstagsständchen, um danach gleich entkräftet in die Kissen zurück zu sinken. Sie hatte sich irgendwie am Vorabend den Magen verdorben und hatte leicht erhöhte Temperatur. So war meine erste Handlung an meinem Geburtstag, ihr eine große Tasse Kamillentee zu machen und ans Bett zu bringen. Sie blieb den ganzen Tag bis abends im Bett. Ich kochte ihr auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin einen Dinkel-Haferbrei, den sie jedoch nicht anrührte, weil dieser gar zu grausig schmeckte. Ich kochte mir Spaghetti und eine Olivenöl-Chilli-Thunfisch-Kapern-Sardellen-Basilikum-Oregano-getrocknete-Tomaten-Soße, die ich mir mittags zu einem Glas 2009er Blauer Zweigelt aus dem Burgenland schmecken ließ. Ich hatte, da ich es nicht mehr gewohnt war, nur für eine Person zu kochen, soviel gekocht, dass ich abends noch eine ganze weitere Portion übrig gebliebener Nudeln in der Pfanne anbraten und mit der restlichen Soße vertilgen konnte. Tagsüber nutzte ich mangels nicht durchgeführter jedoch gemeinsam mit meiner Frau geplanten Aktionen die Gelegenheit, am neuen Design meiner diversen Homepages zu basteln. Durch die sehr vielen eintrudelnden Geburtstagswünsche entschloss ich mich kurzerhand, allen persönlich mit einer Videobotschaft zu danken, die ich auf Youtube einstellte und dann in meinen diversen Social-Netzen zu verlinken. Daraufhin bekam ich noch mehr elektronische Post, die mein Video besonders gelungen fanden (siehe: http://youtu.be/4HbUTEGRgKI).
So ging denn der Tag langsam zu Neige, meine Frau kam irgendwann ziemlich verwuselt aus dem Schlafzimmer und wir schauten uns noch zusammen die erste Folge der neuen Staffel DSDS an. Und wie immer staunten wir nicht schlecht, wie viele „schräge Vögel“ es schaffen, binnen 2 Minuten ein Millionenpublikum auf sich aufmerksam zu machen.
War mein Geburtstag nun ein besonderer Tag? War es einem 63. Geburtstag angemessen? Sicherlich war mein Geburtstag anders geplant gewesen. Aber ich habe das Beste daraus gemacht. Schließlich ist es nur ein Tag von 365 Tagen eines Jahres.
Was mich aber beim Sinnieren über den Sinn eines Geburtstages beschäftigte und nicht mehr losließ, war die Frage, ob ein Geburtstag denn immer schon gefeiert wurde. Was für einen Sinn macht das Erinnern an seine eigene Geburt und das manchmal nahezu zwanghafte Feiern müssen überhaupt?
Wäre es eigentlich nicht angemessener, seiner Mutter für die eigene Geburt zu danken? Gebührt also nicht ihr der eigene Geburtstag als Ehrentag?
Daraufhin habe ich mal etwas im Internet recherchiert zum Thema „Geburtstag“:
Interessant ist, was z.B. Wikipedia, die freie Enzyklopädie, zur Herkunft und Entstehung des Geburtstag-Feierns sagt:
Geburtstage im Christentum
„Das Feiern eines Geburtstages ist kein christlicher, sondern eher ein heidnischer Brauch; in der Bibel werden lediglich drei Geburtstagsfeiern erwähnt, und zwar von heidnischen bzw. umstrittenen Herrschern:
- der Geburtstag des Pharao (Gen 40,29)
- der Geburtstag des Antiochos IV. Epiphanes (2 Makk 6,7), bei dem die Juden mit roher Gewalt zum Opferschmaus getrieben wurden,
- der Geburtstag des Herodes Antipas (Mt 14,6 sowie Mk 6, 21), der zur Enthauptung des Täufers Johannes führte.“
Ganz bestimmt keine erfreulichen Anlässe, um einen Geburtstag zu feiern.
Weiter: „Geburtstagsfeiern werden im Christentum nicht abgelehnt, waren aber bis ins 19. Jahrhundert nur vereinzelt in höheren Gesellschaftsschichten verbreitet. Die Feier des Geburtstags war zunächst eher in protestantischen Gebieten üblich, während im katholischen Raum bevorzugt der Namenstag gefeiert wurde; erst in jüngerer Zeit hat sie sich auch bei Katholiken die Feier des Geburtstages durchgesetzt.“
Und: „Bei den Christen kann Weihnachten ebenso als Geburtstagsfest gesehen werden: Nach der Tradition wird am 25. Dezember die Geburt von Jesus von Nazareth gefeiert.“
Warum nun überhaupt Geburtstag feiern? Haben wir uns das denn VERDIENT? Womit? Oder wegen der paar Geschenke, die meist sowieso unpassend sind? Oder wegen der Freunde und Verwandten, die zu diesem Anlass zusammenkommen?
Wir werden automatisch älter, ob wir wollen oder nicht – und für manche ist es eher qualvoll, zuzusehen, wie man immer älter wird. Und einige können es gar nicht mehr aushalten und verweigern ab Erreichen der individuellen Schmerzgrenze die Auskunft über das wahre Alter.
Die Ureinwohner Australiens, die Aborigines, verstehen im Übrigen überhaupt nicht, wie wir angeblich zivilisierteren Menschen auf die Idee kommen können, das Um-Ein-Jahr-Älterwerden zu feiern. Ihrer Ansicht nach trägt man absolut nichts dazu bei, wenn man älter wird. Das geschieht ganz automatisch und kann so auch kein Verdienst darstellen. Diese australischen Naturvölker, die vom Aussterben bedroht sind, weil ihnen die australische Regierung immer mehr Lebensraum nimmt und diese nur noch in der Wüste leben lässt, feiern erst dann, wenn ein Stammesmitglied von sich überzeugt ist, ein Stück weiser geworden zu sein.
Der Eingeborene prüft sich ständig; und wenn die Zeit gekommen ist, wieder etwas reifer geworden zu sein, dann teilt er dies seinem Stamm mit. Und dann wird ein riesiges Freudenfest gefeiert.
Kleine Anregung zum Nachdenken: Wäre das nicht auch was für uns, anstatt jedes Jahr nur daran erinnert zu werden, dem unvermeidbaren, irdischen Tod ein ganz klein wenig näher gerückt zu sein? Ich finde diese australische Art der Feier sehr interessant und nachahmenswert.
In diesem Sinne Ihnen eine lichten und freudvollen Tag! Jeder Tag ist ein Ehrentag.
Ihr Wolfgang T. Müller
P.S. Meiner Frau geht es heute Morgen wieder besser und läuft wieder munter herum.